Lomografie oder Der periphere Blick

Die Lomografie entstand durch die Wiederbelebung der russischen Produktion der Lomo LC-A, einer Kamera mit sehr einfacher Bauweise. Ihre Merkmale sind starke Vignettierung einschließlich einer gewissen Unschärfe. Diese „Fehler“ wurden gerne für künstlerische Zwecke genutzt. Die handliche Kamera eignet sich für spontane und verwackelte Fotos. Es wird aus der Hüfte fotografiert.

 

Die SchülerInnen der 6a Klasse hatten zwar keine Lomo zur Hand, versuchten aber mit der Schulkamera ähnliche Effekte zu erzielen. Sie zeigen durch ihre Verwischungen eine subjektive, bewegte Kamera. Diese Fotografien entsprechen unserer gegenwärtigen Sehgewohnheit. Es ist der periphere Blick, den wir heute auf die Welt haben. Wir fokussieren nicht, uns reizt vielmehr die Bewegung, das Vorbeiströmenlassen.

 

Effizienz durch Reibungslosigkeit zu Gunsten der Geschwindigkeit. Flüchtigkeit und Rasanz macht unser Lebensgefühl aus. Wir leben in der Ortlosigkeit. Um irgendwo zu sein, müssen wir uns „verorten“ und ständig „positionieren“. Meist sind wir in einem Zwischenbereich. Ein signifikanter postmoderner Topos ist der Flaneur. Sein „Ort“ ist die Passage, der Übergang. Seine Begegnungen sind Episoden. Es sind Ereignisse ohne Vorgeschichte und ohne Folgen. Die Dimension der Tiefe ist verschwunden. Seine Geschichten bestehen aus Clustern von Fragmenten. Auch die Einkaufsstraße ist so ein Ort - eine Komposition von Reizen, denen man sich nach Belieben aussetzen kann. Kein echtes Leben, aber es öffnen sich ständig Räume mit neuen Möglichkeiten und noch unbekannt Erfahrungen.

 

Ein Problem haben wir mit der Beschleunigung unseres Lebens. Es führt zu folgenreichen Geschwindigkeitsdivergenzen. Die Folgen sind Reibungspunkte, die gravierende soziale Unruhen auslösen.

 

Hermann Präg